Dieser Begriff verweist auf die Unterschiedlichkeit (Diversität) menschlicher Neurobiologie bzw. Hirnstrukturen und -funktionen. Atypische neurologische Entwicklungen werden hier als natürliche menschliche Unterschiede eingeordnet und nicht pathalogisiert. Der Ausdruck wird von verschiedenen Interessengruppen verwendet, ist teilweise umstritten und hat sich zu einer Zivilrechtsbewegung entwickelt.
Das Adjektiv neurodivers entstand historisch als Abgrenzung von „neurotypisch“ – ein Neologismus, um Menschen zu beschreiben, deren neurologische Entwicklung als „normal“ betrachtet wird. „Normal“ gibt es nicht; konkret sprechen wir von gesellschaftlich und kulturell akzeptierten Normen beziehungsweise der Mehrheit der Menschen (ich schätze 60-70%) ohne neurodiverse oder neu-deutsch neurodivergente Merkmale.
Das Konzept der Neurodiversität umfasst im weitesten Sinne unter anderem Personen mit (alphabetisch geordnet) Autismus, ADHS, Dyskalkulie, Dyspraxie, Epilepsie, Hochbegabung, Hochsensibilität, Legasthenie, Multiple Sklerose, psychische Erkrankungen und Synästhesie. Man kann diese Gruppen als Neuro-Minderheiten bezeichnen, was meines Erachtens aber problematisch ist, weil in der Praxis sehr oft zwei oder mehrere dieser Eigenarten oder Aspekte einer Person gleichzeigtig und in individuell sehr unterschiedlicher Ausprägung vorhanden sind.
Kunterbunte identifizieren sich in der Regel mit mindestens einem neurodiversen EtikettEin Etikett oder ein Label im übertragenen Sinne bedeutet, ... More -einige lehnen aber Labels grundsätzlich ab und wollen sich nicht in eine Schublade sperren lassen.
Auf dieser Website verwenden wir den Begriff, um die auf humanistisch-inklusive Pluralität von Vorlieben, Interessen, Fähigkeiten, Begrenzungen und kontextuell bedingten Schwierigkeiten hinzuweisen, die als neurologische Divergenzen zu einer (nicht wirklich existierenden) „Norm“ gemessen werden können. Es handelt sich dabei um Identitäts-Labels, die nützlich sein können, um sich selber besser zu verstehen, mögliche Schwächen sowie Herausforderungen besser einzuschätzen oder vorzubeugen und korrelierende Stärken bewusster anzuwenden.
Ich teile den Anspruch der Neurodiversitätsbewegung, gesellschaftlichen Normen aufzulösen, durch die „gesunde“, nicht-behinderte Menschen als besser gelten als alle anderen. Viele Menschen mit neurodiversen Etiketts sind interessanterweise äusserst sensitiv auf äussere Reize – siehe dazu zum Beispiel das Buch von Jenara Nerenberg: Divergent Mind: Thriving in a World That Wasn’t Designed for You


